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Die Wege des Judentums in Böhmen und Mähren

Die jüdische Bevölkerung kam über uralte Handelswege nach Böhmen und Mähren. Die ersten schriftlichen Nachweise über jüdische Siedler in den Ländern der böhmischen Krone stammen aus dem 10. Jahrhundert. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass hier bereits während der Römerzeit Juden lebten.

Im 13. Jahrhundert wurde den Juden in Böhmen und Mähren eine ganze Reihe von Rechten gewährt. Zur selben Zeit begann der Bau der Altneu-Synagoge (Staronová synagoga) in Prag. Die Städte Brünn (Brno), Olmütz (Olomouc), Jihlava, Litoměřice und Příbram wiesen eine recht große jüdische Gemeinschaft auf – die meisten lebten jedoch in segregierten jüdischen Siedlungen, was sowohl religiöse als auch politische Gründe hatte. Im 16. Jahrhundert entstanden neue Synagogen und religiöse Zentren. 1848 wurden der jüdischen Bevölkerung in den Ländern der böhmischen Krone Freiheitsrechte gewährt und 19 Jahre später wurde sie gleichgestellt. Bis zum Jahr 1939 erlebte die jüdische Kultur in Böhmen und Mähren eine regelrechte Blütezeit weshalb auch zahlreiche architektonische und künstlerische Meisterwerke entstanden.

Prag

Im 13. Jahrhundert lebte die jüdische Bevölkerung in Prag vorwiegend nahe der Dušní-Straße und der Altneu-Synagoge (Staronová synagoga). Man nannte die Siedlung Judenstadt (Židovské město) bzw. JüdischesGhetto und zwang die Juden zum Wohnen in diesem abgegrenzten Stadtteil. Im Jahr 1851 wurde das Viertel an Prag angegliedert und in Josefstadt (Josefov) umbenannt. Heute sind vom ursprünglichen mittelalterlichen Viertel nur noch das Rathaus und sechs Synagogen erhalten.

Die Synagogen und der Jüdische Friedhof der Josefstadt

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Bis heute ist die neogotische Maisel-Synagoge (Synagoga Maiselova) erhalten, die der Primas der jüdischen Gemeinde Prags, Mordechai Maisel, zwischen 1590 und 1592 im Renaissance-Stil errichten ließ. Hier befindet sich eine Ausstellung über die Geschichte der böhmischen und mährischen Juden. In der wunderschönen Spanischen Synagoge (Španělská synagoga) ist der zweite Teil dieser Ausstellung zu sehen. Die Spanische Synagoge wurde an jener Stelle errichtet, an der sich einst die älteste Synagoge der Stadt, die Altschul (Stará škola) befand.

Die zweitälteste erhaltene Synagoge in Prag ist die Pinkas-Synagoge (Pinkasova synagoga), an deren Wänden fast 80.000 Namen der Opfer der Shoa zu lesen sind. An die Synagoge grenzt der Alte jüdische Friedhof (Starý židovský hřbitov) an. Der älteste Grabstein dieses Friedhofs gehört zum Grab von Avigdor Kara und stammt aus dem Jahr 1439. Außerdem ist hier auch der berühmte Rabbi Löw bestattet, der Erschaffer des sagenumwobenen Golem. Rechts neben dem Friedhof kann die frühbarocke Klausen-Synagoge (Klausová synagoga) besichtigt werden.

Außerhalb der Josefstadt, im Stadtteil Žižkov, befinden sich zwei weitere jüdische Friedhöfe: der Alte Jüdische Friedhof in der Nähe des Fernsehturms und der Neue jüdische Friedhof bei der Metro-Haltestelle Želivského. Auf letzterem ist der weltberühmte Schriftsteller Franz Kafka bestattet.

Koschere Restaurants

Maiselova 18, Prag 1

Bílkova 12, Prag 1

Břehová 208/8, Prag 1

Westböhmen

Pilsen

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Ein Beleg dafür, dass in der Region um die Stadt Pilsen (Plzeň) einst eine große jüdische Gemeinde lebte, ist einerseits die Große Synagoge in Pilsen aber auch die Tatsache, dass es in der Region viele erhaltene jüdische Sehenswürdigkeiten gibt. Aber wie auch in anderen Landesteilen wurde ein Großteil der jüdischen Bevölkerung während des Nationalsozialismus ermordet. Das ehemalige jüdische Ghetto im Nordwesten von Pilsen existierte nur bis zum Jahr 1504. 1848 wurde in Pilsen eine neue jüdische Gemeinde gegründet und die Beschränkungen für die jüdische Bevölkerung wurden aufgehoben. Von 1858 bis 1859 wurde die Alte Synagoge (Stará synagoga) im neoromanischen Stil errichtet und der Gottesdienst wurde fortan nach dem Neuen Ritus gefeiert. Als zwischen 1888 und 1892 die Große Synagoge (Velká Synagoga) gebaut wurde, verringerte sich die Bedeutung der Alten Synagoge zusehends. Seit Herbst 2013 befindet sich hier eine Ausstellung.

Die Große Synagoge (Velká synagoga) gehört zu den weltweit größten und vereint sowohl neoromanische als auch Neorenaissance-Elemente mit orientalischen Motiven. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie zusehends baufälliger und nur noch gelegentlich genutzt. Erst in den 1990er Jahren wurde sie renoviert und ist seither das kulturelle Zentrum Pilsens.

Unweit der Alten Synagoge befinden sich Überreste der Pomocná-Synagoge, in der ein Holocaust-Mahnmal untergebracht ist. Der sogenannte Garten der Erinnerung (Zahrada vzpomínek) besteht aus 2.600 Steinen, in die die Namen der Opfer des Holocaust eingraviert sind.

Pilsen ist die Stadt des Biers. Bei einer Besichtigung der Brauerei (Pivovar) und des Brauereimuseums (Pivovarský muzeum) können Sie die geheimnisvolle Geschichte des Pilsner Urquells entdecken. Es wird außerdem auch ein spannender Film über das Bierbrauen in einem ausgefallenen Kino mit Drehbühne gezeigt.

Mähren

Třebíč

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Eines der wichtigsten jüdischen Denkmäler Tschechiens ist das erhaltene, UNESCO-geschützte Jüdische Viertel in Třebíč. Es besteht aus 116 erhaltenen Häusern und zwei Synagogen: der Vorderen (Přední synagoga) und der Hinteren Synagoge (Zadní synagoga). In letzterer kann eine Ausstellung über die Stadt, wie sie im 19. Jahrhundert ausgesehen hat, besichtigt werden. Von hier gelangt man auch zum Jüdischen Friedhof (Židovský hřbitov).

Třebíč gehört wegen seiner zahlreichen erhaltenen Denkmäler und Häuser zu den absoluten Highlights der jüdischen Kunst und Kultur.

Brünn

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In der Hauptstadt Mährens, Brünn (Brno), lebten vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 12.000 Juden und es gab vier Synagogen. Davon ist heute jedoch nur noch eine erhalten: die Funktionalistische Synagoge (Funkcionalistická synagoga), die zwischen 1934 und 1936 von Otto Eisler erbaut wurde. In der Region ist dies die einzige Synagoge, die bis heute ihrem ursprünglichen Zweck dient. Im Stadtteil Židenice befindet sich der 1852 gegründete Jüdische Friedhof. In dessen neoromanischer Zeremonienhalle sind Fragmente mittelalterlicher Grabsteine in der Wand integriert und hinter ihr befindet sich ein Holocaust-Mahnmal.

Im nahe gelegenen Städtchen Lomnice können 35 Häuser des ehemaligen jüdischen Ghettos besichtigt werden, darunter auch eine Schule, ein Rabbinat, ein Spital und eine Kneipe. Im westlichen Teil des quadratischen Marktplatzes, der einst inmitten des Jüdischen Ghettos stand, befindet sich eine Synagoge, die heute als Kulturzentrum der Stadt genutzt wird.

Boskovice

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Auch in Boskovice lebte einst eine große jüdische Gemeinschaft, denn im 18. und 19. Jahrhundert war die Stadt für ihre berühmte jüdische Schule (Jeschiwa) und ihr Zentrum für Talmudstudien bekannt. Mitte des 19. Jahrhunderts war über ein Drittel der Bevölkerung jüdischstämmig. Der Jüdische Friedhof in Boskovice birgt über 2.400 Grabsteine. Von den ursprünglich 138 Häusern sind nur noch 79 erhalten, darunter eine Schule, ein Kurbad, ein Spital, eine Mikwe und barocke Synagogen.

Seit 1999 sind die wichtigen Sehenswürdigkeiten durch einen Lehrpfad miteinander verbunden.

Mikulov

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Mikulov besticht durch seine 90 erhaltenen jüdischen Häuser, wovon 45 als Kulturdenkmäler klassifiziert sind. Vom 16. Jahrhundert bis zum Jahr 1851 hatte der Landesrabbiner von Mähren hier seinen Sitz. Durch das Jüdische Viertel führt ein etwa 1 km langer Lehrpfad mit 13 Stationen, die die wichtigsten jüdischen Sehenswürdigkeiten und deren Geschichte erläutern. Der Lehrpfad endet bei der mittelalterlichen Miwke.

Mikulov hatte eine wichtige religiöse Bedeutung in Mähren, was vor allem ein Verdienst des Kardinals Franz Seraph von Dietrichstein war, der Mitte des 17. Jahrhunderts ein bedeutendes Kollegiatstift gründete und die erste Loreto-Kirche auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik erbauen ließ. Er war außerdem derjenige, der die Wallfahrten auf den Berg Svatý kopeček ins Leben rief, deren Tradition bis heute lebendig ist. Zum Plateau des Hügels Svatý kopeček, auf dem sich die Wallfahrtskirche des hl. Sebastian (Kostel sv. Šebestiána) befindet, führt der älteste Kreuzwegs Mährens.

Mikulov befindet sich inmitten des mährischen Weinbaugebiets, weshalb es hier zahlreiche Weinstraßen und Weinkeller gibt. Fahrradfahrer werden hier auf ihre Kosten kommen, denn die Landschaft eignet sich dank ihrer vielen Radwege perfekt für Ausflüge.

In Mikulov wurde Geschichte geschrieben und während Napoleons Feldzügen gegen Österreich in den Jahren 1805 und 1809 marschierten mehrere Armeen durch die Stadt. Vier Tage nach der Schlacht bei Austerlitz (Slavkov), am 6. Dezember 1805, wurden Friedensverhandlungen auf dem Schloss eingeleitet. Der Frieden wurde später in Bratislava geschlossen. Napoleon übernachtete im September des Jahres 1809 in Mikulov als er auf dem Weg nach Brünn und zum Schlachtfeld von Austerlitz war. Im August des Jahres 1866 wurde hier der Waffenstillstand zwischen Österreich und Preußen ausgehandelt, der sogenannte Frieden von Nikolsburg (Nikolsburg ist die deutsche Bezeichnung für Mikulov), der später in Prag geschlossen wurde. Man kann daher sagen, dass Mikulov eine „Stadt der Aussöhnung“ ist.

Theresienstadt

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Die Festung Theresienstadt (Terezín) wurde im Jahr 1790 zum Schutz vor den Preußen errichtet. Es handelte sich um ein wahres Meisterwerk der Fortifikationskunst, die Weiterentwicklung der Waffen und Militärstrategie hatte jedoch zur Folge, dass sie militärisch nie genutzt wurde.

Theresienstadt ist heute jedoch auch ein Mahnmal, das an die im Zweiten Weltkrieg verübten Gräueltaten erinnert. In der Kleinen Festung (Malá pevnost) richteten die Nationalsozialisten ein Gestapo-Gefängnis ein und aus der Hauptfestung machten sie ein Konzentrationslager. Hier wurden unter anderem auch bekannte Politiker, Wissenschaftler und Künstler interniert. Die Nationalsozialisten deportierten die jüdische Bevölkerung von hier in die Vernichtungslager Auschwitz und Treblinka. In 63 Transportzügen wurden etwa 87.000 Menschen deportiert. Nur 3.600 davon kehrten nach dem Krieg wieder zurück. Theresienstadt war eine Art Durchgangslager für insgesamt etwa 155.000 Menschen. Nach dem Krieg wurde hier die Gedenkstätte KZ Theresienstadt (Památník Terezín) eingerichtet – ein nationales Kulturdenkmal, das jedes Jahr von tausenden Menschen aus der ganzen Welt besucht wird.

Im Ghetto-Museum (Muzeum ghetta) ist eine Ausstellung über die Rolle Theresienstadts im nationalsozialistischen System der „Endlösung der Judenfrage“ zu sehen. An dieser Ausstellung arbeiteten ehemalige Häftlinge des KZ Theresienstadt mit Wissenschaftlern zusammen und trugen hunderte Dokumente, Zeichnungen, Gegenstände, Briefe und Filme über das Leben der Gefangenen zusammen. In der Magdeburger Kaserne (Magdeburský kasárny), dem ehemaligen Sitz der jüdischen Selbstverwaltung, werden regelmäßig Ausstellungen über das kulturelle Leben im Ghetto organisiert.

Unweit von Theresienstadt befindet sich an der Elbe die historische Stadt Litoměřice, wo schon seit Jahrhunderten Qualitätswein auf den am nördlichsten gelegenen Weinbergen Europas angebaut wird.

Weinliebhaber sollten sich auf keinen Fall die interaktive Ausstellung über den böhmischen Weinbau in der neu renovierten Burg im Stadtzentrum von Litoměřice entgehen lassen. Natürlich darf man den Wein hier auch kosten.

 

Quelle: CzechTourism